«Spontan nimmt sich die Malende von der grünen Farbe und beginnt achtsam, ohne bestimmte Absicht oder einem vorbestimmten Thema, die Farbe mit den Fingern auf das Blatt aufzutragen. Bald folgen weitere Farben, eine Farbfläche entsteht neben der anderen. Plötzlich erhellt sich das Gesicht der Malenden - was da auf dem Blatt entstanden ist, ist eine Unterwasserlandschaft, sie fühlt sich wie beim Schnorcheln im Meer. Längst vergessene Erinnerungen an wunderschöne Ferien am Meer, zusammen mit ihrem Mann, tauchen auf. Diese Verbundenheit mit dem Meer, mit der Natur, hatte sie immer genossen. Wieviel Zeit verbrachte sie eigentlich noch in der Natur? Wieso nicht endlich den Vorsatz vom regelmässigen Spazieren umsetzten?»
Die Maltherapeutin als Hebamme
Nicht immer so einfach wie in diesem Beispiel, erfolgt die «Geburt» eines Bildes. Aber so wie eine Hebamme, begleite ich als Maltherapeutin die Malenden bei der Entstehung ihres Bildes. Manchmal kann der Entstehungsprozess eines Bildes auch lange und schmerzvoll sein. Dann ist es wichtig, dass die Maltherapeutin als «Hebamme» die Malende achtsam unterstützt und ermutigt. Eindrücke und Erlebtes können so malend nachempfunden, gesehen, verstanden und verarbeitet werden. Das Bild muss gemalt werden, so wie ein Kind geboren werden muss. Denn dann können entstandene Verletzungen heilen oder vernarben, Neues kann sich seinen Weg bahnen.
Unser Gehirn ist ein bildgebendes Organ. Durch das Malen findet jeder und jede einen nonverbalen Zugang zu sich, zu seinen Bedürfnissen und seinen Gefühlen. Der Kontakt und das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten können wiederhergestellt und entwickelt werden. Dadurch gewinnen Malende neue Perspektiven, erweitern ihre Grenzen. Visionen können entwickelt werden und neue Lebenswege gestaltet.
Sobald das Bild beendet ist, die «Geburt» vollzogen, endet für mich als Maltherapeutin die «Arbeit». Jedes Bild ist einzigartig und richtig, es wird nicht beurteilt oder gewertet und ist Eigentum der Malenden. Ich freue mich zusammen mit den Malenden über ihr Bild, entstanden durch den jeweiligen ganz persönlichen Prozess. Diese Methode der personenorientierten Maltherapie fördert die Wahrnehmung und das Selbstvertrauen. Dies führt zu einer Erweiterung des eigenen Horizontes und zu persönlichem Wachstum.
Comments